Ist Die Linke am Ende?
Bei den Linken herrscht Aufbruchstimmung. Und das nachdem ihr bekanntestes Gesicht aus der Partei ausgetreten ist. Mittlerweile sollte es jeder mitbekommen haben: Sahra Wagenknecht ist aus der Partei Die Linke ausgetreten und mit ihr 9 andere Mitglieder der Linksfraktion im Bundestag. Die Partei wird am 6.12.23 ihren Fraktionsstatus und somit einiges an finanziellen Mitteln, Rechten im Parlament, Mitarbeitern usw. verlieren. Man könnte denken, die Partei sei am Ende… Momentan ist sie das auch.
Allerdings bietet der Parteiaustritt Einiger auch eine Chance für die Partei. Auf dem Parteitag in Augsburg vorletztes Wochenende strahlte die Partei eine lange vermisste Einigkeit aus. Große Grundsatzdiskussionen und Konflikte rund um die Parteilinie blieben seit Wagenknechts Austritt aus. Den größten Aufreger gab es wohl bei der Wahl der Spitzenkandidatinnen und Spitzenkandidaten für die Europawahl im kommenden Jahr. Bei der Wahl um Listenplatz 1 bewirbt sich plötzlich ein Wagenknecht-Anhänger, der in seiner Rede mit großer Aufregung die Partei beschimpft und schließlich seinen Parteiaustritt verkündet. Bei der Wahl erhielt er allerdings nur etwa 2% und Martin Schirdewan, der linke Parteivorsitzende, wurde mit großer Mehrheit auf den ersten Listenplatz gewählt. Auf Listenplatz 2 findet man die parteilose Carola Rackete, die einigen noch bekannt sein sollte. Man kennt sie als Seenotretterin, die im Jahr 2019, ohne Erlaubnis der italienischen Behörden, Geflüchtete sicher an Land gebracht hat. Die Auseinandersetzung mit den Behörden war damals überall in den Medien zu sehen.
Die Partei einigte sich auf einen neuen Kurs, beruft sich aber auf die Grundsätze der Partei. Der demokratische Sozialismus steht immer noch im Zentrum linker Politik und die Forderungen nach mehr sozialer Gerechtigkeit und konsequentem Klimaschutz sollen ein klares Profil schaffen. Ein klares Profil schaffen. Das birgt für die Partei allerdings auch große Risiken. Ihre Position für faire Asylverfahren und gegen eine Zuwanderungsbegrenzung durch das Konzept „sicherer Herkunftsstaaten“ und eine Obergrenze für Flüchtlinge sind in der Bevölkerung zur Zeit nicht besonders populär. Der Parteiname wird aber Programm, denn Solidarität über Landesgrenzen hinweg und der Eintritt für Entrechtete und unterdrückte Minderheiten sind linke Werte, die tief in der Partei verwurzelt sind. Sahra Wagenknecht hat mit ihrer Forderungen nach Grenzschließungen diese Werte über Bord geworfen. Vor allem die Positionierung in der Migrationspolitik gibt den Linken aber ein Alleinstellungsmerkmal und das Beziehen von unpopulären, aber meiner Meinung nach, richtigen Positionen, gehört auch Mut. Damit und mit der Wahl einer Parteilosen geht man große Risiken ein.
Ich glaube, dass diese Risiken nötig sind. Die Partei steht nach jahrelangen Krisen kurz vor dem Abgrund. Die Linke hat sich allerdings vom Wagenknecht-Lager und somit von der Lähmung durch toxische Diskussionen getrennt. Man könnte überspitzt sagen, sie hätte sich emanzipiert. Dieser Schritt war notwendig und bietet die Chance auf einen Neustart. Ein Neustart, für den sogar das Logo geändert wurde. Ein Neustart ist vielleicht die letzte Chance für die Partei, eine starke, linke Kraft zu bilden. Eine solche linke Kraft ist in heutigen Zeiten, in denen immer wieder die Ärmsten gegen die Ärmsten ausgespielt werden und die Rechten immer weiter erstarken, wirklich notwendig. Damit sich “das Arbeiten wieder lohnt”,darf nicht am Bürgergeld gekürzt werden. Die Menschen, die für den Mindestlohn arbeiten, haben am Ende des Monats auch nicht mehr, wenn die Bürgergeldempfängerinnen und Bürgergeldempfänger, die sowieso schon am Existenzminimum leben, weniger bekommen. Damit sich das Arbeiten lohnt, müssen die Löhne gesteigert werden. Auch helfen die rechtspopulistischen Parolen von der AfD, Friedrich Merz, Hubert Aiwanger, Markus Söder, Sahra Wagenknecht usw. am Ende niemandem. Es braucht eine Partei, die sich glaubwürdig für soziale Gerechtigkeit, Klimaschutz, Minderheiten und gegen Rechts einsetzt. Mit diesem klaren Kurs versucht Die Linke offenbar vor allem, enttäuschte Wählerinnen und Wähler von SPD und den Grünen anzuwerben. Ob der neue Kurs der Partei funktioniert, wird die Zeit zeigen.